Artikel von Dr. Tzaneva in Ärzte Krone Ausg. 8/2017 über Therapieoptionen bei Varikosen

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Varizen oder Krampfadern sind erweiterte oberflächliche subkutane Venen. Sie sind am häufigsten im Bereich der Beine lokalisiert. Die meisten Krampfadern sind auf eine primäre venöse Erkrankung zurückzuführen, so genannte primäre Varizen. Die häufigste Ursache ist wahrscheinlich eine morphologische oder biochemische Anomalie in der Venenwand, obwohl die Ätiologie auch multifaktoriell sein kann. Sekundäre Varizen entwickeln sich meistens nach einer tiefen Venenthrombose und seltener bedingt durch andere Ursachen wie z.B. arteriovenöse Fisteln. Krampfadern können auch angeboren sein und als venöse Missbildung vorliegen.

Die primäre idiopathische Varikose wird aus heutiger Sicht als eine chronische Erkrankung bei prädisponierten Personen verstanden, ähnlich wie die arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus. Lebensstilführung und Umwelt spielen dabei eine wichtige Rolle und können den Verlauf der Erkrankung beeinflussen.

Etwa 80% der Erwachsenen Bevölkerung der westlichen Welt hat irgendeine Form der Varikose: ein Drittel leidet an Stammvarikose, der Rest hat mindestens Retikularvarizen oder Besenreiser. In 3-6% der Menschen mit Varizen kommt es zu Ausbildung eines venösen Ulcus im Verlauf der Erkrankung. Die Prävalenzraten der Varikose steigen mit zunehmendem Alter. Auch während der Schwangerschaft entstehen gehäuft Varizen.

Krampfadern und venöse Ulzera haben große sozioökonomische Aspekte für den Einzelnen und für die Gesellschaft aufgrund der großen Zahl der Betroffenen, der Kosten für Forschung und Behandlung, der progressiven und chronischen Natur der Erkrankung, sowie der Neigung zur Rezidiven.

Je nach Kaliber, Anatomie und Ursprung der betroffenen Venen unterscheidet man zwischen Stammvarizen – Vena saphena magna (VSM) oder Vena saphena parva (VSP), Seitenastvarizen – epifasziale, häufig geschlängelte oberflächliche Nebenäste, insuffizienten Perforanten – ausgeweitete Perforansvenen, Retikularvarizen – oberflächliche bläuliche dünnwandige Gefäße, Besenreisern – netzartige rötliche oder bläuliche intradermale kleine Venen. Auch nach einer perfekten Sanierung der Varikose können sich Varizen bei prädisponierten Personen wieder bilden: so genannte Rezidivvarizen.

In manchen Patienten sind die Varizen asymptomatisch, oder lösen nur minimale Beschwerden aus. Bei anderen Patienten kommt es zu Schmerzen, Juckreiz und anderen subjektiven Beschwerden wie Ziehen, Schwere- und Druckgefühl, Krämpfe, die eine signifikante Beeinträchtigung der Lebensqualität bewirken können. Unbehandelt kann es zu Komplikationen kommen wie Hautveränderungen mit Verhärtung und Pigmentierung der Haut, Venenentzündung, Beinvenenthrombose, Blutungen aus oberflächlich gelegenen dünnen Varizen und im Extremfall zu offenem Bein. Als chronisch venöse Insuffizienz (CVI) wird das Stadium der venösen Erkrankung bezeichnet, wenn es zu Ödemen und/oder eine oder mehrere Hautveränderungen wie Ekzem, Pigmentierung, Verhärtung, Atrophie, Ulcus gekommen ist.

Aufgrund des chronischen Blutrückflusses bei der Varikose kommt es zu einer persistierenden Volumenüberlastung des oberflächlichen Venensystems und zur Entwicklung einer venösen Hypertension in den fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung. Die venöse Hypertension und die Stasis führen zur Reflux in den Kapillaren und gesteigerter Permeabilität mit den Folgen von Flüssigkeits- und Blutzellenaustritt, Gewebekompression und chronischer Inflammation. Bei der schweren CVI besteht neben der kapillaren Mikroangiopathie auch eine gestörte Lymphdrainage.

Die diagnostischen Schritte bei Patienten mit Varizen umfassen die Anamnese, physikalische Untersuchung und apparative Untersuchungen. Die Duplex-Sonographie stellt heute der Goldstandard zur Diagnostik der venösen Erkrankungen und zur Therapieplanung dar. Eine CT- oder MR-Venographie wird in seltenen Fällen benötigt, vor allem wenn es um die Abklärung der Beckenetage geht. Ebenso wird die intravaskuläre Ultrasonographie bei Patienten angewendet, wo die anderen Methoden an Ihren Grenzen stoßen.

Der Grundstein für das Management der Varikose ist die richtige Diagnose und genaue Klassifizierung des zugrunde liegenden Fehlers, die die Basis für eine korrekt gerichtete Behandlung bilden. Die Behandlung der Varikose kann in zwei großen Gruppen unterteilt werden (Tabelle 1). Die konservative Therapie stellt bei allen Formen der Varikose eine Behandlungsoption dar.

Die Kompressionstherapie ist die Basis- und die am häufigsten eingesetzten Therapie bei Patienten mit Varikose, venösen Ödemen, Hautveränderungen und Hautulzera. Sie soll ergänzend zu anderen Maßnahmen verwendet werden, wie zum Beispiel Modifikation des Lebensstils durch Gewichtsreduktion und Bewegung. Die Kompressionstherapie kann mittels elastischen Binden, steifen Bandagen, medizinischen Kompressionsstrümpfen oder Geräten (intermittierende pneumatische Kompression) erfolgen. Prinzipiell werden Ödeme zuerst mit Bandagen ausgeschwemmt und später medizinische Kompressionsstrümpfe verwendet. Nach derzeitigem Wissenstand ist und bleibt die Kompression die Standardversorgung für Patienten mit fortgeschrittener chronisch venöser Insuffizienz (CVI) und venösen Ulzera. Für Patienten mit simpler Varikose werden medizinische Kompressionstrümpfe mit moderater Kompression (Klasse II) empfohlen. Bei Patienten mit symptomatischer Varikose, die gleichzeitig Kandidaten für Ablation der Stammvenen sind, wird hingegen von Kompression als primäre Therapie abgeraten.

Die venoaktiven Medikamente nehmen heutzutage eine zentrale Rolle in der Behandlung von symptomatischen Patienten mit Varikose ein. Das gilt insbesondere für Patienten, die sich in frühen Stadien der Erkrankung befinden und die Kompression die einzig-mögliche andere geeignete Therapieform darstellen kann. Bei Patienten, wo die Kompressionstherapie allein zu keinem zufriedenstellenden Effekt geführt hat, nicht toleriert wird oder sogar kontraindiziert ist, sollten die venoaktiven Medikamente gezielt eingesetzt werden. In fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung können diese Medikamente in Verbindung mit Sklerotherapie, Chirurgie und/oder Kompression verwendet werden. Pentoxyphyllin und mikronisierte gereinigte Flavonoidfraktion (MPFF) werden in Kombination mit Kompression zur Beschleunigung der Wundheilung bei venösen Ulzera empfohlen.

Die invasiven Verfahren sind die effektivsten therapeutischen Methoden zur Sanierung der Varikose. Die Ziele der invasiven Verfahren sind: Elimination des Refluxes, Normalisierung der venösen Hämodynamik, Entfernung von sichtbaren Varizen und dadurch Reduktion der Symptome, sowie Vorbeugung von Rezidiven und Minimierung von möglichen Komplikationen.

Heutzutage werden am häufigsten folgende chirurgische Methoden verwendet: Crossektomie mit hoher Ligatur und Stripping der Stammvenen, Seitenastextirpation (Ministripping durch kleine Inzisionsschnitte, minimalinvasive Methode), sowie die Unterbindung von Perforanten. In den letzten Jahren haben die neuen minimal invasiven endovenösen Techniken die offene Chirurgie im Hintergrund gestellt, aber dennoch hat sie ihren Stellenwert in der Behandlung der Varikose nicht verloren. In den Händen des erfahrenen Operateurs ist und bleibt die Chirurgie eine sehr effektive und nebenwirkungsarme Methode. Die Indikationen für offene Chirurgie sind großkalibrige, dilatierte und gewundene Stammvenen, die einen frühen Faszienaustritt aufweisen, solche mit aneurysmatischer Ausweitung und vorangegangenen oberflächlichen Venenthrombosen.

Die Entwicklung der Technologien in den letzten Jahren, sowie die immer breitere Anwendung der Duplexsonographie und das neue Verständnis über die Venenphysiologie haben zur Einführung der neuen endovenösen Ablationstechniken geführt. Sie haben alle das selbe Wirkprinzip: Verschluss der Vene durch thermale, chemische, mechanische oder physikalische Wirkung. Dadurch kommt es zu einer Lumenfibrose mit nachfolgender Reabsorbtion der Vene. Man unterscheiden die endovenöse Laserablation (EVLA), die Radiofrequenzablation (RFA), die Sklerotherapie mit der ultraschallgesteuerten Schaumverödung (USGS), sowie neuere Methoden, die noch nicht völlig etabliert sind, wie Thermoablation mit Heisswasserdampf, mechanochemische Ablation (MOCA) und Verschluss der Stammvenen durch Cyanoacrylat Kleber (Tabelle 1). Alle Prozeduren sind minimal invasive perkutane Verfahren mit mehreren Vorteilen im Vergleich zur klassischen Chirurgie. Die Patienten haben weniger Schmerzen, weniger postoperative Komplikationen, die Behandlungsdauer ist kurz und die Rekonvaleszenz verkürzt. Allerdings sind nach dem heutigen Wissenstand die endoluminalen Verfahren und die offene Chirurgie vergleichbar in Bezug auf anatomische Wirksamkeit und Rezidivraten.

EVLA und RFA haben die beste und die längste Evidenz. Technisch erfolgt bei beiden Methoden eine perkutane ultraschallgesteuerte Punktion der Vene mit nachfolgender Einführung des Katheters. Applikation der Energie findet statt unter Rückzug des Katheters. Eine Tumeszenzanästhesie ist bei beiden Verfahren erforderlich und beide können ambulant durchgeführt werden. Die Verschlussraten nach 5 Jahren liegen bei über 90%. Die endovenöse thermale Ablation mit Laser oder Radiofrequenz ist sicher und effektiv und wird empfohlen zur Behandlung der Stammvenen Insuffizienz. Aufgrund der reduzierten Genesungszeit, weniger Schmerzen und Morbidität wird den EVLA und RFA den Vorzug gegeben gegenüber der offenen Chirurgie.

Bei der Sklerosierung (Verödung) von Varizen werden gezielt und kontrolliert endothelschädigende Substanzen in die Varizen injiziert. Der Wirkmechanismus der Sklerotherapie ist die Destruktion der venösen Endothelzellen mit nachfolgender fibrotischen Obstruktion. Man unterscheidet die Sklerosierung mit flüssigen Substanzen von der mit aufgeschäumten Sklerosierungsmitteln (Schaumverödung). Das in Österreich zugelassene Verödungsmittel ist Polidocanol. Bei der Schaumverödung ist der Kontakt des Mittels mit der Venenwand besser und länger gewährleistet und daher ist die Schaumverödung besser wirksam als flüssige Verödung. Der Schaum lässt sich duplexsonographisch sehr gut visualisieren und diese Eigenschaft wird bei der ultraschall-gesteuerten Schaumverödung genutzt. Bei diesem Verfahren wird unter Ultraschall Kontrolle Schaum in die Stammvene direkt eingespritzt. Die Erfolgsrate dieser Methode liegt nach 5 Jahren zwischen 50 und 80%. Von allen endovenösen Ablationstechniken ist die Schaumverödung die am wenigsten invasive, kann beliebig oft wiederholt werden und ist kostengünstig.

Die flüssige Sklerotherapie wird zur Behandlung von Teleangiektasien, Retikularvarizen und kleineren varikösen Venen empfohlen. Für Behandlung der Stammvarikose wird den thermalen endovenösen Verfahren (EVLA, RFA) den Vorzug gegeben gegenüber chemische Ablation aufgrund der besseren anatomischen Wirksamkeit und geringere Rezidivrate.

In den letzten Jahren wurden mehrere randomisierte kontrollierte Studien publiziert, wo die drei klassischen invasiven Methoden miteinander verglichen wurden: offene Chirurgie, thermale endoluminale Verfahren (EVLA, RFA) und ultraschall-gezielte Schaumverödung. Alle Methoden führten zu einer vergleichbaren Verbesserung der Lebensqualität und waren klinisch ebenbürtig; nach EVLT gab es weniger Komplikationen und nach einer ultraschall-gezileten Schaumverödung – mehr Rezidive.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Varikose eine der häufigsten Krankheitsbilder der westlichen Welt ist und mit der Steigerung der Lebenserwartung noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Es handelt sich um eine chronische, unheilbare und zur Progredienz neigende Erkrankung und deshalb stellt die Therapie dieser Patienten ein lebenslang zu beachtendes Projekt dar.

Tabelle 1

Therapeutische Verfahren bei Varikose

Nicht invasive Verfahren (konservative Therapie) Invasive Verfahren
Kompression Chirurgie
Medikamentöse Therapie Endovenöse Laserablation (EVLA)
Physikalische Therapie Endovenöse Radiofrequenzablation (RFA)
Gewichtsreduktion Thermoablation mit Heisswasserdampf
Mechano-chemische Ablation (MOCA)
Cyanoacrylat Kleber
Sklerotherapie (Verödung)